Die richtigen Mitarbeitenden finden – neue Chancen durch Reverse Recruiting

Der Stellenmarkt hat sich gedreht: Wo früher Arbeitgebende aus Dutzenden Bewerber*innen auswählen konnten, konkurrieren sie heute selbst um deren Gunst. In diesem „Bewerbermarkt” die richtigen Mitarbeitenden zu gewinnen, ist schwer. Im Grunde müssen sich die Unternehmen inzwischen bei den Kandidat*innen bewerben. Es gibt dafür auch schon einen Begriff: Reverse Recruiting.
Das heißt für rekrutierende Unternehmen: umdenken! Um trotz Fachkräftemangel und demographischem Wandel passende Mitarbeitende zu finden, braucht es eine 180°-Wende. Arbeitgebende müssen lernen, die Perspektive ihrer Mitarbeitenden einzunehmen – und ihre Stellenangebote komplett neu schreiben.

Warum braucht es einen neuen Denkansatz, um die richtigen Mitarbeitenden zu finden?

Klassische Stellenanzeigen bringen kaum noch Bewerbungen – und wenn, dann die falschen. So verschwenden Unternehmen viel Zeit mit Vorstellungsgesprächen und vielleicht sogar Einarbeitungen, obwohl eigentlich von Anfang an klar ist: Die Bewerber*innen passen gar nicht.

Um heute geeignete Kandidat*innen zu erreichen, braucht es mehr als 08/15-Stellenanzeigen. Diese ähneln sich in manchen Branchen bis aufs i-Tüpfelchen. Aufgabenliste, Anforderungsprofil, Arbeitgeberleistungen – das meiste wirkt floskelhaft, austauschbar und unreflektiert zusammenkopiert. Und das ist es in vielen Fällen auch – entweder von alten Vorlagen aus den Schubladen der Personalabteilung oder aus den Stellenangeboten von anderen.

Was fehlt, sind klare Alleinstellungsmerkmale, echte Begeisterung und motivierende Anreize. Wenn die Farbe des Firmenlogos der größte Unterschied ist, wie sollen sich qualifizierte Kandidat*innen dann zu einem Arbeitgeber besonders hingezogen fühlen?

Schluss mit Floskeln! – Lieber ehrliche Anreize bieten

Um echtes Interesse zu wecken, braucht es einen neuen Denkansatz im Recruiting, der die Kandidat*innen in den Mittelpunkt stellt. Der ihre Wünsche erkennt und erfüllt. Der ihnen bietet, was sie suchen.

Es bringt allerdings nichts, haltlose Versprechungen zu machen. Das rächt sich, sobald die neuen Mitarbeitenden merken, dass die Stelle ihre Erwartungen doch nicht erfüllt. Dann sind sie ganz schnell wieder weg.

Deshalb erfordert die neue Reverse-Recruiting-Strategie den Mut, ehrlich zu sein. Dazu gehört auch die Bereitschaft zu einer Nabelschau. Bevor ein Unternehmen nach Kandidat*innen suchen kann, die seine Ziele und Werte teilen, sollte es diese selbst kennen.

Perspektivwechsel: Was wollen die Bewerber*innen?

Es ist höchste Zeit, die alten, nutzlos gewordenen Stellenanzeigen mitarbeiterorientiert neu zu schreiben. Dabei hilft es, die Perspektive zu wechseln und sich zu fragen:

  • Was hält die passenden Kandidat*innen von einer Bewerbung ab – und was könnte sie dazu motivieren?
  • Worauf legen sie Wert – und inwieweit kann das Unternehmen ihre Wünsche erfüllen?
  • Welche ihrer Grundüberzeugungen finden sie in der Unternehmenskultur wieder? Auf welche Ziele wollen sie gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber hinarbeiten?
  • Und zuallererst: Wer sind überhaupt die passenden Kandidat*innen?!

Ersetzt man Kandidat*innen durch Kund*innen, sind dies die gleichen Fragen, die sich auch vr jeder Marketing-Kampagne stellen. Es liegt also nahe, im Marketing nach bewährten Methoden und Lösungsansätzen zu suchen, die sich von der Kunden-Akquise auf die Personal-Akquise übertragen lassen.

Wie Marketing-Methoden helfen, die richtigen Mitarbeitenden zu finden

Als Texterin und Marketing-Fachkauffrau beginne ich meine Arbeit immer mit der Frage nach dem Kundennutzen. Egal, um was für ein Produkt oder welche Dienstleistung es geht: Worin besteht der relevante Mehrwert für die Kunden?

Relevant heißt: Dieser Wert hat für die Menschen eine echte Bedeutung. Der Mehrwert geht über die reine Funktion und die Qualität des Produkts oder Services hinaus. Diese versprechen andere Anbieter meist genauso. Darin liegt also weder ein Alleinstellungsmerkmal noch ein echter Kaufanreiz für eine bestimmte Marke.

Der relevante Mehrwert spricht die inneren Werte und handlungsleitenden Motive der Zielgruppe an. Das erleichtert die Entscheidung für eine Marke. Sie fühlt sie sich richtig an.

Mit einer kleinen Wortspielerei in meinem Firmennamen nenne ich diese Strategie: Relephant Communication. Der bekannte Autor Simon Sinek formuliert es so: „Frag immer erst: warum”.

Wenn ihr Warum übereinstimmt, entsteht zwischen Menschen oder auch zwischen Menschen und Marken eine starke Verbindung. Denn sie teilen eine gemeinsame Grundhaltung und handeln aus den gleichen Gründen. Das schafft Vertrauen und Zugehörigkeit. Sie streben nach den gleichen Zielen. Das motiviert und setzt Energie frei. Ich finde, dies ist ein vielversprechender Denkansatz, um mit einer Reverse-Recruiting-Strategie die passenden Mitarbeitenden zu finden!

Beim Reverse Recruiting so wichtig wie im Marketing: die Zielgruppe kennen

Dass man die Zielgruppe kennen sollte, um sie erfolgreich anzusprechen, ist im Marketing vollkommen klar. Werbe-Strateg*innen betreiben regelmäßig großen Aufwand, um nicht nur Ziel-Gruppen zu definieren. Sie erarbeiten mitunter sogar detailliert einzelne Ziel-Personen, sogenannte „Buyer Personas”.

Dieses Konzept kann als Vorlage dienen, um auch in der Personalakquise gezielter und effizienter passende Kandidat*innen anzusprechen: nämlich über eine entsprechende „Candidate Persona”.

Doch zuerst zurück zur Buyer Persona – was ist das überhaupt? Und wie hilft sie dabei, die vielversprechendsten Kunden zu erreichen?

Eine Buyer Persona ist eine Art Steckbrief. Dieser beschreibt äußerst facettenreich den absoluten Traumkunden für ein Unternehmen. Von Name, Geschlecht und Alter über den individuellen Lebensstil und die alltäglichen Sorgen bis zu den am liebsten und häufigsten genutzten Medien wird alles haarklein ausgearbeitet. Die Informationen sind teilweise real, also von echten Traumkunden abgeleitet, die das Unternehmen bereits erfolgreich akquiriert hat. Der Rest ist ausgedacht.

Was nach einer absurden Marketing-Masche klingt, funktioniert überraschend gut. Denn die Buyer Persona ist keine einzelne Person, die es zu finden gilt, sondern ein Idealtypus. Und bei diesem Typ Mensch trifft eine Werbekampagne, die bis ins kleinste Detail auf seine Vorlieben und Bedürfnisse zugeschnitten ist, natürlich voll ins Schwarze. Denn sie liefert genau die Anreize und Argumente, die dieser Kundentyp für seine Kaufentscheidung braucht.

Entsprechend funktioniert die Candidate Persona beim Recruiting. Es geht darum, sich ein möglichst konkretes Bild von der idealtypischen Besetzung für eine Stelle zu machen. Dieser spezielle Typus Mensch wird in der Stellenausschreibung auf motivationaler Ebene direkt angesprochen.

Wie entwickelt man eine Candidate Persona fürs Reverse Recruiting?

Verschiedene Menschen empfinden ganz unterschiedliche Arbeitsbedingungen als interessant oder angenehm. Die einen wollen Verantwortung und Freiheiten. Andere schätzen eine engere Führung mit klarem Rahmen. Manche mögen Routine und brauchen Sicherheit, andere lieben Herausforderungen und wagen auch mal was.

Teamwork oder Wettbewerb, Anschluss oder Einfluss, Wachstum oder Nachhaltigkeit, Entfaltung oder Engagement – wonach streben die Menschen, die als Mitarbeitende für eine bestimmte Stelle ideal wären?

Wer das vermutlich am besten weiß, sind die idealen Mitarbeitenden, die das Unternehmen bereits hat. Deshalb ist es sinnvoll, das Team in die Entwicklung der Candidate Persona(s) einzubeziehen. Wie sind die bisherigen Mitarbeitenden zu ihrer Berufswahl und ihren Stellen gekommen? Worauf freuen sie sich, wenn sie morgens zur Arbeit kommen? Wie arbeiten sie als Team zusammen, wie lösen sie Konflikte? Welche Tätigkeiten nerven sie – und welche positiven Aspekte ihrer Arbeit entschädigen sie dafür? Was macht sie stolz auf ihre Firma?

Auch Vorgesetzte können natürlich Auskunft über das Klima in ihrem Unternehmen geben. Doch haben sie oft mehr oder weniger große blinde Flecke. Deshalb lohnt sich ein Gegen-Check aus anderer Perspektive.

Es empfiehlt sich, Team-Workshops professionell moderieren zu lassen. Menschliche Motive liegen häufig im Unbewussten. Mit neutralem Blick von außen und einem feinen Ohr für Zwischentöne nimmt ein Coach oder Marketing-Profi auch Unausgesprochenes war. Er oder sie kann gezielt nachfragen, zuspitzen, filtern und kondensieren.

So lässt sich ein ziemlich klares Persönlichkeitsprofil für eine ideale Stellenbesetzung entwickeln. Darauf basierend kann eine auf die Bedürfnisse der Candidate Persona zugeschnittene Stellenausschreibung formuliert werden.

Was macht Stellenangebote für die richtigen Mitarbeitenden attraktiv?

Nicht aussagekräftig beschriebene Aufgaben sind häufig ein Grund, warum Kandidat*innen auf Stellenanzeigen nicht reagieren. Sie wünschen sich klare Aussagen und ein authentisches Bild von den Tätigkeiten und vom Unternehmen.

Um wirklich passende Kandidat*innen anzusprechen, kann es helfen, im Stellenangebot typische Arbeitssituationen zu beschreiben. Das klärt den Bedarf und beugt Enttäuschungen vor. Wenn z. B. ein SHK-Anlagentechniker (m/w/d) regelmäßig auf Dächern Solarmodule anbringen muss, sollte er/sie schwindelfrei sein. Wenn ein Pflegedienst auch zwischenmenschliche Kontakte pflegen will, braucht er kommunikative und liebevolle Mitarbeitende. Das Team eines Sicherheitsdienstes sucht Kolleg*innen, die nicht den starken Mann markieren, sondern sich beherzt und kollegial füreinander starkmachen. Eine Steuerkanzlei, die Mandate als Team betreut, braucht Spezialist*innen, die ihr Fachwissen bereitwillig teilen. Und so weiter.

Aus den Anforderungen ergeben sich spezielle Eigenschaften, die Kandidat*innen brauchen, um den Job zu erfüllen – und ihn als erfüllend zu erleben.

Es ist wichtig, sich vorher ein klares Bild davon zu machen, was die freie Stelle bietet – und welcher Personentyp sich genau das wünscht. Die Candidate Persona definiert den passenden Typ Mensch und gibt ein konkretes Nutzenversprechen: Wenn Du Dich hier bewirbst, findest Du die Arbeitsbedingungen, mit denen Du persönlich Dich wohlfühlst.

Was gehört noch in ein Stellenangebot?

Anders als bei herkömmlichen Stellenanzeigen stehen bei der Reverse-Recruiting-Strategie weniger die formalen Qualifikationen und fachlichen Fähigkeiten im Vordergrund. Soweit sie unerlässlich sind, sollten sie selbstverständlich genannt werden. Aber nicht übertreiben! Das könnte potenzielle Bewerber*innen abschrecken.

In vielen Fällen lassen sich Fertigkeiten auch on the job noch erwerben. Wichtiger ist, dass die inneren Werte stimmen. Denn die handlungsleitenden Motive und der innere Antrieb sind nicht anpassbar. Wenn sie nicht mit der Unternehmenskultur kompatibel sind, ist Stress vorprogrammiert.

Wichtig ist ein aussagekräftiger Stellentitel. Dieser sollte den Suchbegriffen entsprechen, mit denen Kandidat*innen bei Google oder in Stellenportalen nach neuen Jobs fahnden. Also: keine kryptischen Insider-Bezeichnungen, sondern Klartext schreiben!

Standort und Gehalt sind Stellensuchenden extrem wichtig. Also den Arbeitsort unbedingt nennen. Das Gehalt geben Unternehmen meist nicht so gern an. Aber die Kandidat*innen wollen es wissen. Eine ehrliche und transparente Kommunikation kommt ihren Interessen entgegen. Wer sich Verhandlungsoptionen offenhalten will, kann als Kompromiss eine Gehaltsspanne angeben.

Benefits und Arbeitgeberleistungen zu nennen, lohnt sich vor allem dann, wenn sie nicht selbstverständlich sind. Tischkicker beispielsweise sind längst mehr Klischee als Köder. Wichtig ist auch hier, darauf zu achten, dass die hervorgehobenen Leistungen authentisch die Unternehmenswerte widerspiegeln. Eine Obst-Flatrate oder Job-Räder können das Image eines umwelt- und gesundheitsbewussten Arbeitgebers unterstreichen – aber auch wie aufgesetztes Greenwashing wirken.

Am besten orientieren sich auch die Zusatzleistungen an den Bedürfnissen der idealtypischen Mitarbeitenden: Ist deren dominantes Lebensmotiv die persönliche Entfaltung, macht es Sinn, Weiterbildungen und Mitspracherechte anzubieten. Entscheiden sie sicherheitsorientiert, punktet eine betriebliche Altersversorgung. Ist die Candidate Persona ein Elternteil nach der Babypause, hilft ein Vertrauensarbeitszeit-Modell, Beruf und Familie zu vereinbaren. Tendieren neue Azubis dazu, sich überfordert zu fühlen, macht ein Mentoring-Programm Mut.

Zur klassischen Stellenanzeige gehört ein Arbeitgeberprofil. Oft steht dieses sogar ganz oben. Beim bewerberorientierten Reverse Recruiting ist das eher kontraproduktiv. Besonders, wenn es zu einer seelenlosen Auflistung zahlenmäßiger Erfolge oder zur selbstzentrierten Lobhudelei gerät. Wirkungsvoller ist ein Arbeitgeberprofil, in dem das Warum erkennbar ist: eine klar ausgesprochene Vision, mit der sich die passenden Kandidat*innen identifizieren können.

Fazit: Reverse Recruiting als einmalige Chance für KMU

Wichtig ist: Die Werte, Motive, Ziele und Ansprüche der Kandidat*innen passen zu denen des Unternehmens. Dann bestärken beide einander und arbeiten glücklich und zufrieden zusammen, bis der Renteneintritt sie scheidet. Passen sie jedoch nicht zusammen, ist das vermeintliche Glück, die Stelle besetzt zu haben, vermutlich von kurzer Dauer. Und es kostet noch mehr Zeit, Geld und Nerven, mit der Suche und Einarbeitung passender Mitarbeiter*innen von vorn zu beginnen.

Dann doch lieber von Anfang an die richtigen Kandidat*innen suchen, finden und behalten.

Es lohnt sich, dafür die eigenen Firmenwerte auszugraben. Gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) bietet der wertebasierte Reverse-Recruiting-Ansatz eine echte Chance, sich im „War for Talents” zu behaupten. Bei gestiegenen Gehaltswünschen können KMU und Start-ups oft nur schwer mithalten. Aber über relevante Mehrwerte und ein authentisch vermitteltes Warum können sie sich wirksam abheben und als attraktive Arbeitgebermarke positionieren.

Noch ist Reverse Recruiting nicht sehr weit verbreitet. KMU, die es jetzt wagen, umzudenken, könnten in ihrer Branche die ersten sein. Und sich so einen entscheidenden Vorsprung sichern.

Lernen Sie jetzt 5 einfache Wege kennen,

wie Sie sich mehr Zeit verschaffen.

Sind auch bei Ihnen passende Mitarbeitende verzweifelt gesucht?

Wer Lust hat, den Reverse-Recruiting-Ansatz mit mir zu diskutieren oder im eigenen Unternehmen auszuprobieren, kann sich gerne bei mir melden. Holen Sie sich neue Impulse für die Personalsuche, ein Angebot für eine Reverse-Recruiting-Strategie oder eine bewerberorientiert neu geschriebene Stellenanzeige. Spielen Sie jetzt Ihre Stärken als kleines oder mittelständisches Unternehmen aus, um die richtigen Mitarbeitenden zu gewinnen!

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Gastbeitrag von Marion Krobb
Relephant Communication

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