Wir alle rechtfertigen uns von Zeit zu Zeit. Nicht nur vor anderen, sondern auch vor uns selbst. Prinzipiell ist das nicht bedenklich. Wenn es allerdings zum Drang kommt, sich rechtfertigen zu müssen, dann ist es sinnvoll, etwas genauer hinzuschauen. Denn dann hängen wir in einem Fremdbestimmungs-Modus, was sehr belastend und unangenehm ist.
Lesen Sie im Folgenden, was dazu führt, dass wir uns rechtfertigen und wie Sie von der Rechtfertigung zur Erklärung kommen, ohne schlechtes Gewissen.
Wieso haben wir den Drang, uns rechtfertigen zu wollen?
Es gibt unterschiedliche Gründe, sich rechtfertigen zu wollen. In der Regel rechtfertigen wir uns, wenn wir mit unserem Handeln nicht zufrieden sind oder das Gefühl haben, die andere Person könnte mit unserem Handeln unzufrieden sein.
Eine Rechtfertigung birgt entweder Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen in sich oder Angst. Die Angst wird nicht bewusst wahrgenommen. Sie spielt sich auf der Ebene der psychologischen Grundbedürfnisse von uns Menschen ab. Oft geht es um das Bedürfnis, angenommen und akzeptiert zu werden.
Wenn also eine Situation dazu führt, dass wir eine andere Person verärgern oder gar enttäuschen, fühlt sich das wie eine Bedrohung an. Und zwar die Bedrohung, abgelehnt oder zurückgewiesen zu werden. Damit ist unser Selbstwert bzw. genauer unser Selbstwertgefühl in Gefahr.
Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Bedrohung auf einer Annahme beruht, die andere Person könnte unzufrieden oder verärgert sein. Diese Annahme halten wir jedoch für einen Fakt. Daraus folgt, dass wir uns unberechtigt angegriffen fühlen. Aus dieser Gefühlslage, holen wir dann zum Gegenangriff aus und rechtfertigen uns, ohne geprüft zu haben, ob die zugrundeliegende Hypothese überhaupt zutrifft.
Der Rechtfertigung liegt also eine Schuldvermutung zugrunde.
Der Unterschied zwischen einer Rechtfertigung und einer Erklärung
Sich für etwas zu rechtfertigen bedeutet, das eigene Tun und Handeln zu verteidigen. Wir begründen oder erklären, wieso eine bestimmte Sache so ist, wie sie ist. Dies ist eine defensive Haltung. Und das ist auch die Ursache für das unangenehme Gefühl. Sie befinden sich dann in einer inneren Anspannung. Daher kommt auch der Ausspruch Rechtfertigungsdruck.
Eine Erklärung hingegen erfolgt aus einer anderen inneren Haltung. Diese ist frei und selbstbestimmt. Eine Erklärung fühlt sich deswegen auch besser an.
Eine Erklärung hat zum Ziel, der anderen Person eine Information zu einer bestimmten Sache oder Handlung mitzuteilen, damit diese die Hintergründe und Ursachen der Handlung versteht. Eine Erklärung soll also ein Verhalten für eine andere Person verständlicher und nachvollziehbarer machen.
Eine Erklärung hat also im Gegensatz zu einer Rechtfertigung eine völlig andere Intention. Die Absicht dahinter ist deutlich weniger defensiv.
Es geht nicht darum, das Gegenüber von etwas zu überzeugen. Sondern viel mehr darum, eine Information greifbarer und nachvollziehbarer zu machen. Das Ziel dahinter ist, Verständnis beim Gesprächspartner zu erzeugen.
Die Haltung einer Erklärung ist Klarheit, wie der Wort-Kern schon in sich trägt. Einer Rechtfertigung hingegen liegt immer eine gewisse Unsicherheit zugrunde. Oft schwingt sogar das Gefühl von Scham mit, weil man mit sich und dem eigenen Verhalten nicht zufrieden ist. Daran ist bereits zu erkennen, dass eine Rechtfertigung eine hohe emotionale Involviertheit mit sich bringt.
Bei einer Erklärung strahlen Sie hingegen innere Sicherheit aus. Außerdem werden Sie die Information in der Regel sachlich und routiniert vermitteln.
Ich möchte Ihnen den Unterschied an einem Beispiel verdeutlichen:
Ein Dienstleister bearbeitet einen Auftrag für seinen Kunden. Der Kunde hat besondere Wünsche, die er ihm im Rahmen der Beauftragung mitteilt. Nach Beendigung spricht der Kunde den Dienstleister auf das Ergebnis an und fragt, wie er zu diesem gelangt ist.
Die Antwort mit einer Rechtfertigung lässt vermuten, dass der Kunde mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist. Aus diesem Grund reagiert er defensiv.
Die Erklärung dagegen zeigt keinerlei Zweifel und der Kunde ist ebenfalls zufrieden. Er wollte lediglich aus Neugier wissen, wie das Ergebnis zustande gekommen ist.
Eine Rechtfertigung lässt immer Zweifel an der eigenen Kompetenz aufkommen. Dementsprechend lohnt es sich, aus der Rechtfertigungsfalle auszusteigen und stattdessen eine Erklärung zu wählen.
Wie das funktionieren kann, lesen Sie im folgenden Abschnitt.
Wie Sie sich ohne Rechtfertigung und ohne schlechtes Gewissen einfach nur erklären?
Wenn Sie meinen Blog schon eine Weile verfolgen, wissen Sie, dass eine Verhaltensänderung immer mit dem Bewusstwerden des alten Musters beginnt. Darauf folgt das Einüben des neuen Musters und schließlich die Gewohnheitsbildung.
Ist also ganz einfach… Nur eben nicht immer ganz leicht.
Die Schwierigkeit liegt in den unbewussten Saboteuren, die hinter dem Muster liegen. Und diese kleinen Biester halten oft extrem hartnäckig an ihrer Überzeugung fest und nehmen so immensen Einfluss auf unser Verhalten.
Nähern wir uns ihnen also sachte.
Oben haben Sie gesehen, dass wir mit einer Rechtfertigung unser Selbstwertgefühl verteidigen wollen, weil wir befürchten, abgelehnt oder zurückgewiesen zu werden. Was uns dazu bringt, den Eiertanz der Rechtfertigung zu vollführen.
Im ersten Schritt geht es also um Ihre Selbstbeobachtung und um eine realistische Risikoanalyse der Situation.
Machen Sie es sich dazu zur Gewohnheit, Situationen zu sammeln, die ein ungutes Gefühl hervorgerufen haben und analysieren Sie diese mit folgenden Fragen aus der kognitiven Verhaltenstherapie nach Albert Ellis:
Anschließend überlegen Sie sich, wie Sie eine Erklärung formulieren könnten.
Der Charakter einer Erklärung ist die sachliche und neutrale Darlegung der Beweggründe. Also ohne Wertung, ohne Angriff, ohne Verteidigung.
Vielleicht sagen Sie nun: alles schön und gut, aber wenn ich so klare Worte wie in einer Erklärung wähle, kann sich mein Gegenüber doch schnell angegriffen fühlen.
Deswegen ein Hinweis zur Beruhigung: Interessanterweise laufen Sie bei einer richtig ausformulierten Erklärung nicht Gefahr, dass sich Ihr Gegenüber angegriffen fühlen könnte, was bei einer Rechtfertigung in vielen Fällen jedoch vorkommen kann.
Ein Beispiel dazu:
Sie möchten sich im privaten Kontext mit einer Person verabreden und schlagen einen Termin vor. Diese erwidert darauf:
Hier wird deutlich, dass in einer Rechtfertigung oft eine passive Aggression steckt, also ein verdeckter Angriff. Die Person suggeriert mit der Antwort, dass Sie schuld seien, dass sie keine Zeit für sich hat.
Verfestigen Sie das neue Verhalten mit eine täglichen Reflexion.
Dazu beantworten Sie folgende Fragen zum Ende des Arbeitstages kurz schriftlich.
Diese Reflexion macht Sie einmal auf positiver Veränderungen bewusst, die sonst häufig unter dem Deckmantel der Selbstverständlichkeit laufen. Und zum anderen aktiviert sie das neue Verhalten für weitere Situationen, die noch nicht in Ihrem Bewusstsein waren.
Viel Spaß beim Wachsen!
Sie wünschen sich Unterstützung bei der Umprogrammierung Ihrer inneren Muster und Saboteure, um aus der Rechtfertigungsfalle auszusteigen?
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